Bilderverbot
Braucht es das Bilderverbot wirklich?
Wir leben in einer Welt voll von Bildern. Und wir machen Bilder. Fotografieren so viel wie nie zuvor. Das Leben wird dokumentiert in Bildern, täglich. Und diese werden geteilt im sozialen Netz.
Wir sprechen von Klangbildern in der Musik und Sprachbildern in der Literatur.
Wir können gar nicht anders, wir bebildern. Bilder entstehen im Sehen, Hören, Sprechen, Riechen und Fühlen.
Da klingt es geradezu anachronistisch wenn es heißt: Du sollst Dir kein Bildnis machen. Es ist das erste der Zehn Gebote, und die abrahamitischen Religionen teilen das Gebot.
In Judentum, Christentum und Islam ist das Bilderverbot die Richtschnur, wenn es um Aussagen zu Gott, zu Menschsein, zu allem was im Himmel und auf Erden ist, geht.
Aber wie soll das sein, wenn es doch gar nicht anders geht, als dass wir uns Bilder machen, die Bilder kommunizieren, sie vergleichen und uns so verständigen?
Auch die Bibel und der Koran sprechen in Bildern von Gott.
Das ist es eben: In Bildern sprechen, in vielen!
Das Bilderverbot richtet sich gegen die Festlegung auf ein Bild. „Du sollst Dir nicht nur ein Bild von Gott machen!“ Das eine Bild engt Gott ein, legt Gott fest.
So kennt der Islam die 100 Namen Gottes. Der 100. Name bleibt ungenannt, bleibt, offen. Gott kann letztlich nicht erfasst werden. Gott bleibt größer als unsere Bilder.
Die Radikalisierung unter Beanspruchung der Religionen führt zur Festlegung der Bilder von Gott, von Gut und Böse, von richtig und falsch. Es gibt im Fundamentalismus nur ein Entweder-Oder. Schwarz oder weiß. Es gibt nicht bunt und vielfältig. Es werden im wahrsten Sinne des Wortes einfache Lösungen verfolgt und dies führt zu Gewalt.
Braucht es das Bilderverbot wirklich? Heute wieder mehr denn je! Um der Vielfalt des Lebens willen. Um Gottes und der Menschen willen.
Johanna Wittmann