Ehrfurcht?
Kann man heute noch von Ehrfurcht sprechen?
Ein sehr altes Wort aus vergangenen Zeiten, so mutet der Begriff „Ehrfurcht“ an.
Kann man heute noch von Ehrfurcht sprechen? Es klingt nach oben und unten. Einer hat das sagen, die anderen haben zu gehorchen. Da ist jemandem Ehre, Verehrung entgegenzubringen und dieser jemand ist furchteinflößend. Dieser muss auch freundlich gestimmt werden. Solche Assoziationen stellen sich ein.
Hochachtung, Respekt vor der Würde, Erhabenheit einer Person, eines Wesens oder einer Sache, hohe Achtung, achtungsvolle Scheu.
Schlägt man im Duden und bei Wikipedia nach, dann finden sich zur Bedeutung von Ehrfurcht Begriffe wie: Achtung, Anerkennung, Hochachtung, Hochschätzung, hohe Einschätzung/Meinung, Respekt; Pietät, Scheu, Verehrung, Wertschätzung.
„Ehrfurcht“ ist auch ein zentraler Begriff in der Vedischen Religion: Hier geht es um das Kultivieren des Gefühls der Ehrfurcht, des Ergriffenseins als eigene Yoga Praxis. Indem man sich von allem Großen, Außergewöhnlichen ergreifen lässt, im Wunder der Schöpfung, im Wunder des Lebens, im Wunder jedes Menschen, kann man immer wieder spirituelle Erfahrungen machen.
In einem weiteren Sinn ist Ehrfurcht ein Respekt vor der Würde eines Menschen, vor der Leistung eines Menschen oder einer Gruppe eines Menschen, vor der Schönheit eines Musikstücks, eines Kunstwerks. Ehrfurcht kann man auch haben vor der Großartigkeit der Natur, vor einer Aufgabe, vor dem Alter.
Die Ehrfurcht geht hervor aus einer ethischen Grundhaltung von Menschen und kann sehr vielfältig sein.
Bestimmte die Ehrfurcht vor Gott und seinen menschlichen Vertretern auf Erden noch vor wenigen Jahrhunderten maßgeblich den Alltag der Menschen, so trifft in heutiger Zeit zum Beispiel Albert Schweitzers Begriff „Die Ehrfurcht vor dem Leben“ auf das ethische Streben vieler Menschen zu.
In der Bibel erwartet und fordert Gott von seinen Geschöpfen Ehrfurcht, Respekt und Würdigung. Die Bibel sagt in 5. Mose 10, 12-13: Nun, Israel, was fordert der Herr, dein Gott, noch von dir, als dass du den Herrn, deinen Gott, fürchtest, dass du in allen seinen Wegen wandelst und ihn liebst und dem Herrn, deinem Gott, dienst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass du die Gebote des Herrn hältst und seine Rechte, die ich dir heute gebiete, auf dass dir´s wohl gehe?
Ehrfurcht/ Gottesfurcht ist eine Zuflucht für die Kinder Gottes. In Sprüche 14, 26-27 heißt es: Wer den Ewigen fürchtet, hat eine sichere Festung, und auch seine Kinder werden beschirmt. Die Furcht des Herrn ist eine Quelle des Lebens, dass man meide die Stricke des Todes.
Und im Brief an die Epheser heißt es „Gottesfurcht und Demut gehen Hand in Hand“. (Eph. 5,21)
Ehrfurcht und Demut beschreiben eine Haltung. Es geht dabei nicht um Unterwerfung, vielmehr um das Bewusstsein, ein Teil eines großen Ganzen zu sein. Abhängig von Vielem, ohne das Leben nicht möglich ist.
Fulbert Steffensky beschreibt dieses Bewusstsein, diese Haltung so: Wir leben vom Brot, das andere für uns backen.
Kann man heute noch von Ehrfurcht sprechen? Wahrscheinlich nicht, ohne zu erklären, was darunter verstanden werden kann.
Das was „Ehrfurcht“ als Haltung im und zum Leben beschreibt, ist für eine solidarische Welt unabdingbar.
Johanna Wittmann
Als flögen wir davon
Ich halt inne. Werde ruhig. Nehme den Blick meiner Augen, den Augenblick wahr. Nur er zählt. Ich schaue hin. Schaue andächtig hin. Beuge mich. Mache mich klein. Denn ich bin klein. Winzig klein. Angesichts der Schönheit der Schöpfung. Der Anmut des kleinen Schmetterlings. Der versehentlich leicht schaukelnd auf meiner Hand gelandet ist. Er trägt den malerischen Namen Tagpfauenauge. Rostrot ist er. Die vier schwarzweißen Flecken auf seinen seidigen hauchdünnen Flügeln sollen Feinde erschrecken. Nur ein halbes Jahr lebt er. Doch er weiß nichts vom Tod. Er lebt, vermehrt sich und stirbt. Ich teile viel mit diesem Schmetterling. Wie lange noch werde ich leben? Ich weiß es nicht. Weiß so wenig. Lese nach im 90. Psalm, Vers 10: Wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon. Alte, sehr weise Worte. Ganz still halte ich. Atme verhalten. Damit ich ihn nicht erschrecke. Freue mich. Freue mich sehr. Wenn er gleich abhebt. Und seine zarten Flügel ihn davon tragen … wohin auch immer.
von Marie Mehrfeld