Gott ganz stark – Oder?
Gott ganz stark – Oder?
„Gott hat keine Angst vor Schlangen“, das war Alisa ganz wichtig. Im Kindergarten wurde im Morgenkreis über Vorstellungen von Gott gesprochen. Am Vortag hatte die Nachbarin von Alisa. eine Schlange in ihrem Garten entdeckt. Menschen liefen herbei, große Aufregung herrschte. „Vorsicht, Vorsicht, kann giftig sein!“. Die Schlange war nicht gefährlich, wie sich bald herausstellte, aber die Natter hatte Furcht und Schrecken verbreitet. Das hat Alisa beeindruckt. Deshalb, wenn schon die Erwachsenen Angst haben, dann muss zumindest einer in der bedrohlichen Situation keine Angst vor dem Tier haben. Also: Gott hat keine Angst vor Schlangen!
In den Herausforderungen und Tiefen des Lebens brauchen wir einen Gott, der uns trägt und schützt, uns Halt gibt und durch die dunklen Täler bringt. Ein Gott, der in den Verunsicherungen des Lebens den Überblick behält und stärker ist als wir selbst es sind.
In den zahlreichen Erzählungen von Bedrohung und Rettung (Noah, Mose, David, Elija), erweist sich Gott als der, dem vertraut werden kann und der keine im Stich lässt.
Die Psalmen sprechen beredt von solchen Erwartungen an Gott nach Schutz:
„Sei mir ein starker Fels“ (Ps. 312f), dorthin kann man sich retten vor Raubtieren und vor Feinden.
Oder das uns allen sehr vertraute Bild von Gott als dem Hirten, in dem sich alle Eigenschaften eines guten Hirten finden lassen (Ps 23,1-4).
Geborgenheit verheißen Metaphern, die von Gott als einer festen „Burg“ (Ps 91,1-4) sprechen oder Gott als eine „Vogelmutter“ beschreiben, unter deren Flügeln man sich bergen kann wie ein Vogeljunges.
Auch in den Gleichnissen Jesu, die die Evangelisten überliefert haben, wird von einem fürsorglichen und barmherzigen Gott gesprochen in sprachlichen Bilder: Gott, wie ein barmherziger Vater, wie ein guter Hirte, der sich auch um ein einzelnes verlorenes Schaf kümmert (Lk 15, 11-32 und 3-7).
Es finden sich weibliche Bildern von Gott. Auch hier geht es besonders um die beschützende und für die Jungen eintretendende Kraft:
Gott – wie eine Hebamme (Ps 22,10; Jes 66, 9), wie eine Bärenmutter (Hos 13,8; 2 Sam 17,8), wie eine Adlermutter (5. Mose 32,11, Ex 19,4), wie eine Henne (Mt 23, 37; Rut 2,12; Ps 17,8; Ps 57,2; Lk 13,34).
Bilder von Gott, die ihn als Krieger beschreiben, der für sein Volk kämpft und die Feinde vernichtet begegnen häufig. Gewalttätige Bilder von Gott haben Eingang gefunden in die biblischen Texte. Es widerspiegeln sich darin die Zeiten, in denen Israel, bedroht von vielen Seiten, sich immer wieder in Auseinandersetzungen und Kämpfen mit anderen Stämmen und Völkern befand. Es ging um Land, Wasser und Weidegründe.
Auch diese Bilder sprechen von der Sehnsucht nach dem starken Gott, der die eigene Schwäche ausbügelt und für die Seinen Lebensraum schafft, aus Angst und Bedrohung hilft (z.B. Ps 47,2-4, 2. Mose 15,1-3).
Und diese Bilder sagen viel über die Gesellschaft und deren Werte aus. Sie zeigen die Bereitschaft, sich mit Gewalt einzusetzen, um sich zu verteidigen, aber auch um die eigenen Interessen durchzusetzen.
Mit Jesus und seiner Deutung kommt im christlichen Glauben ein anderer Aspekt ins Spiel. Der Aspekt der Schwäche.
Gott zeigt sich in einem kleinen Kind, zudem aus unterpriviligierten Verhältnissen.
Gott wird Mensch (Lk 2, 10-12):
„Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch
große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland
geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum
Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“
Im Evangelium nach Markus wird der Gedanke der Menschwerdung Gottes in der Erzählung von Jesus Taufe zum Ausdruck gebracht (Mk 1, 11):
„Und da geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“
Zugespitzt wird die Rede von Gott, der sich in der Schwachheit zeigt, in der Kreuzigung Jesu.
Gott zeigt sich im gekreuzigten Jesus: Ein schwacher Gott. Ein Gott, der auch diese Seiten des Lebens erfährt und so ganz Mensch wird.
Der römische Hauptmann, der bei Markus unter dem Kreuz steht, erkennt in dem Gekreuzigten den Sohn Gottes. Eben nicht in einem strahlenden Helden, der vom Kreuz steigt oder sich erst gar nicht kreuzigen lasst.
Die Aussage des Hauptmanns stellt eine Umwertung dar. Nicht die Sieger, die Unberührten, die Mächtigen verkörpern das Göttliche. Nein, die am Rande, die Besiegten, Leidenden, die Schwachen, mit ihnen und in ihnen zeigt sich Gott.
Eine Vielfalt von Gottesbildern finden sich in der Bibel. Auch dies unterstreicht die Empfehlung aus den Zehn Geboten: „Du sollst Dir nicht ein Bildnis machen (2. Mose 20,4). Nur ein Bild von Gott, verkürzt die Rede von Gott, versucht Gott festzulegen, sich seiner habhaft zu machen.
Mit dem Gebot wird eine Weite und eine Entwicklungsmöglichkeit auch für und mit Bildern von Gott in Aussicht gestellt.
Für Kinder werden immer wieder Bilder von einem starken Gott wichtig sein: Ein Gott, der den Kleinen zur Seite steht und an dessen Seite schon mal so ein Riesenkerl wie Goliath schachmatt gesetzt werden kann.
Doch haben sie auch Zugang zu anderen Bildern von Gott und entwickeln dazu eigene:
„Gott ist hinten, vorne sind die Sonne, das Gras und die Steine“ so Katharina, als sie 5 Jahre alt war.
Johanna Wittmann