Redet Gott durch Träume?
Redet Gott durch Träume?
Träume haben die Menschheit immer schon fasziniert. In der Antike galten sie als Botschaften der Götter. Die Tiefenpsychologie versteht sie als Botschaften aus dem Unbewussten, aus einem Teil unseres Selbst, zu dem wir sonst keinen direkten Zugang haben. So verstanden, sind sie Ausdruck und Teil des Lebens.
„Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt. Ein Bettler, wenn er nachdenkt.“ So Friedrich Hölderlin.
Und Victor Hugo vertritt die Überzeugung, dass „Denken die Arbeit des Intellekts“ sei, „Träumen sein Vergnügen.“
In den Religionen haben Träume einen hohen Stellenwert. Eine Grundübereinkunft der unterschiedlichen Religionen scheint zu sein, dass Gott sich in und durch Träume offenbaren kann. Träume werden verstanden als Sprache Gottes, mit denen den Menschen die göttliche Absicht mitgeteilt wird.
Viele Träume in unserer Überlieferung teilen wir mit den jüdischen und islamischen Traditionen.
Am Anfang des Christentums stehen Visionen und Träume. Drei Männer folgen ihrer Traumbotschaft und dem Stern und finden einen Stall mit einer Futterkrippe und Gott in der Welt.
Joseph, im Evangelium des Matthäus, gebeutelt von den Ereignissen um Maria und die mysteriöse Schwangerschaft, folgt den Botschaften seiner Träume und bleibt bei Maria und rettet die junge Familie vor Herodes durch die Flucht nach Ägypten.
Selbstverständlich wird in der gesamten Bibel davon ausgegangen, dass sich Gott der Träume bedient, um mit den Menschen in Kontakt zu treten, sich zu offenbaren und Botschaften zu Gehör zu bringen.
„Wer die Bibel zum Träumen befragt, bekommt die Traumwelt als Bühne für Offenbarungen Gottes vorgeführt. Der Traum ist dort eine der bevorzugten Spielstätten Gottes, auf der er Lebensbotschaften in komplexen Bildern und Geschichten vermittelt.“ (Friedrich, in: Zeitzeichen 6/August 2005, S.26)
Zum Beispiel: Joseph der große Träumer und Traumdeuter. Er träumt sich im Mittelpunkt von Garben und Sternen, die sich vor ihm verneigen. Das bringt ihm den Neid der Brüder ein und ein Leben im Exil in Ägypten. Dort verhelfen ihm seine Fähigkeiten, Träume zu deuten, die des Pharao, zu einem Aufstieg in dem fremden Land. Und Ägypten wird durch die Deutung des Traumes von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren vor einer Hungersnot bewahrt.
Beim Propheten Joel heißt es dann und diese Verse sind aufgenommen in der Liturgie der Adventssonntage: „Eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten werden Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.“ (Joel 3, 1f)
Es bedarf keiner besonderen Traumdeuter mehr. Der Himmel ist offen für Jedermann. Gott zeigt sich den Jungen und den Alten.
Redet Gott durch Träume?
„Träume drängen zur Auslegung. Und dies ist nicht nur ein Spiel. Auslegung ist Sinnarbeit an der existentiellen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Träumenden und ist eine Suche im eigenen Gottes- und Weltverhältnis.“ (Friedrich, in: Zeitzeichen 6/August 2005, S.28).
Auf der Suche nach Sinn und Orientierung können Träume als Wegweisung Gottes verstanden werden.
Ja, insofern redet Gott durch Träume.
Johanna Wittmann