Warum bringen die Weisen Weihrauch und Myrrhe mit an die Krippe?
Warum bringen die Weisen Weihrauch und Myrrhe mit an die Krippe?
Stalldüfte sind es wohl zunächst, die an der Krippe zu Bethlehem in die Nase steigen. Der Geruch nach Vieh, Heu und Mist. Dann gesellen sich Weihrauch und Myhrre dazu, so erzählt es die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus.
Was macht sie so kostbar, die Geschenke, die die Heiligen drei Könige mitgebracht haben?
Bei Gold müssen wir nicht nachfragen. Wieso jedoch bringen diese Weisen Weihrauch und Myhrre mit?
Heilsame Düfte
Manche kennen die Tradition vielleicht noch oder haben davon gehört: In den Rauhnächten oder auch Rauchnächten, den Tagen zwischen Weihnachten und dem Dreikönigfest am 6. Januar werden Haus und Hof geräuchert. Dazu wird Weihrauch angezündet. Es ist das Harz des Boswelliabaums, gelbliche, schwach durchsichtige Körner. Mit der rauchenden Schale wird durch Haus und Hof gezogen.
Es wird ausgeräuchert. Dies soll gegen Dämonen, aber auch gegen Krankheiten helfen.
Weihrauch wird von alters her eine geheime Kraft nachgesagt. Eine apotropäische Wirkung nachgesagt, die Unheil abwenden kann.
Davon waren schon die Ägypter überzeugt. Sie, wie die Griechen und Römer nutzten Weihrauch für den guten Geruch der Luft, für Salben zur Wundbehandlung. Sie setzten ihn gegen Krankheiten der Atemwege und bei Verdauungsproblemen ein. Es war nicht bekannt, wie das Mittel wirkte, aber die Erfolge sorgten dafür, dass das Mittel auch noch im Mittelalter eingesetzt wurde. Und ganz prosaisch wurde Weihrauch gegen den Gestank der Kloaken eingesetzt.
Weihrauch war ein hoch bezahltes und begehrtes Gut. Auf Fernhandelsstraßen wurde das Harz von Äthiopien und Somalia bis in fast alle Gegenden der alten Welt gebracht.
Auch das Harz der Myrrhe wird traditionell zum Räuchern eingesetzt. Myrrhe ist ein bitter schmeckender, aber wohlriechender Saft, der aus der Rinde einer Art des Balsambaumes sickert. Trocknet er, entstehen durchsichtige Körner von weißlicher bis roter Farbe, die beim Verbrennen Duft erzeugen. Myrrhe wurde in der Antike als Mittel in der Kosmetik wie in der Medizin benutzt. Das Besondere an der Myhrre ist ihr zweifacher Charakter, ihr bitterer Geschmack und ihr wohlduftendes Harz und Öl. Zur Linderung körperlicher Leiden wurde etwa der bittere Myhrrewein als Betäubungsmittel verwendet. Das wohlriechende Öl wiederum wurde zur Einbalsamierung von Leichen genommen. So hat die Myhrre auch den Ruf ein ganz besonderes Kraut zu sein, sagenumwoben, da sie mit dem Leben und dem Tod in Berührung bringt.
Bekannt bis heute ist der Brauch, der Braut an ihrem Hochzeitstag einen Myrrhe-Zweig zu schenken.
Erst mit dem Aufkommen der chemischen Arzneien verloren Weihrauch und Myhrre ihre Bedeutung für die Heilkunst. Und mit ihrer Bedeutung ging auch das Gebrauchswissen im Blick auf die natürlichen Heilmittel unter.
Was heilt ist heilig
Seine heilende Wirkung machten Weihrauch und Myhrre zu einem kostbaren Gut. Heilung wurde mit heilig, mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht. So gibt es im Altertum die Verbindung zwischen Medizin und Religion. Weihrauch gilt als Gottesduft. Die Ägypter nannten die Harzkörner des Weihrauchs „Schweiß der Götter“.
Die Römer ersetzten mit dem Verbrennen von Weihrauch dann sogar die alten, vorgeschriebenen Opfer. Bei Bitt- und Dankesgebeten ließ man die Weihrauchkörner in speziell dafür bestimmten Gefäßen im Feuer verbrennen. In der Verehrung einiger römischer Kaiser als „Herr und Gott“ wurden vor deren Bildern Weihrauch angezündet.
Auch der jüdische Kult kannte das Verbrennen von Weihrauch zweimal am Tag im Tempel. Der Rauch hatte die Nebenwirkung, die Fliegen zu vertreiben, die bei Tieropfern lästig werden konnten.
Düfte vermitteln Botschaften
Da die frühen Christen allein Jesus Christus göttliche Verehrung zukommen ließen, lehnten sie die Verwendung von Weihrauch im Gottesdienst ab. Es sollte niemand meinen können, sie würden den römischen Kaiser als Gott verehren. Bei Beerdigungen allerdings konnte mit Weihrauch geräuchert werden.
Später, nachdem das Christentum als Staatsreligion anerkannt war, fand der Weihrauch mit der Übernahme von Elementen des römischen Kaiserkultes Eingang in den christlichen Gottesdienst.
Heute gilt der Weihrauch als katholisch. Die evangelischen Kirchen haben sich vom Weihrauch distanziert, wie von anderem Sinnlichen im Gottesdienst, das als nicht zum Heil notwendig beziehungsweise für dieses hinderlich erschien.
In der Rückbesinnung auf den Menschen als sinnliches Wesen, der mit Herzen, Mund und Händen die gute Botschaft von der Menschenfreundlichkeit Gottes kosten will und muss, um zu begreifen, wird heute Weihrauch auch in der evangelischen Glaubenspraxis als Zeichen des Gebetes angezündet. (Psalm 141).
Als Duft des Himmels wird Weihrauch in der orthodoxen Liturgie, etwa im byzantinischen Ritus und in der orientalischen Liturgie angesehen und verströmt. Nach der wunderschönen alten orientalischen Vorstellung ist eine Gottesbegegnung mit einem Dufterlebnis verbunden. Gott verströmt sich und kann gerochen werden und geht mit dem Atem ein in die Menschen.
Die Myhrre ist in der Geschichte weniger umstritten als der Weihrauch. Sie ist nicht verbunden mit Herrscherkulten. In ihrer Symbolkraft wird Myhrre im Christentum mit dem Leiden Jesu verbunden. Sie gibt Kraft zur Entsagung und Askese. Diese bewahren vor der Fäulnis des Lasters und der Begierden, die Leben zerstören. Myhrre gilt als mysthisches, magisches Mittel, fähig zu helfen, die Niederungen des Lebens zu überwinden und das Leben, wie sie den Leichnam vor der Verwesung schützt, über den Tod hinaus zu bewahren.
Gehen wir zurück in den Stall. Nach dem Besuch der Weisen vertreibt der Weihrauch neben all seinen heilsamen Wirkungen die Fliegen und die Myhrre sorgt für einen entrückenden Duft im Stall.
Doch mehr noch: Mit Gold, Weihrauch und Myhrre ausgestattet, wird Jesus, das Kind in der Krippe, als Verkündiger und Ausrichter der Guten Botschaft erkannt:
Gott teilt unser Menschsein und heiligt es. Unsere Abgründe und Verletzungen werden geheilt. Erde und Himmel, Tod und Leben sind in Verbindung gebracht. Keine Kluft trennt sie.
Nicht weniger als diese Botschaft verströmen die Düfte von Weihrauch und Myhrre. Das macht sie so kostbar.
Johanna Wittmann