„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (Brundtland-Bericht, 1987).
Diese Definition Nachhaltiger Entwicklung aus dem UN-Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ aus dem Jahr 1987 hat bis heute nichts an Popularität verloren.
Aber was sind eigentlich Bedürfnisse? Und wer legt fest, welche Bedürfnisse legitim sind und welche zu weit gehen? Steht mir jährlich eine Flugreise zu? Darf ich ohne schlechtes Gewissen essen, was mir schmeckt?
Niemand möchte sich gerne in solche persönlichen Entscheidungen hereinreden lassen. Als die Grünen vor Jahren den Vorschlag machten, einen „Veggie-Day“ pro Woche einzuführen, um das Klima zu schützen, da hagelte es Kritik und Proteste von allen Seiten. Das Gefühl, sich die persönliche Freiheit einschränken lassen zu müssen, wird von der Mehrheit nicht akzeptiert. Schnell ist von einer Ökodiktatur die Rede.
Aber wo lässt sich eine Grenze ziehen? Welche Bedürfnisse stehen mir zu? Die Brundtland Definition legt nahe, dass es nur so lange legitim ist, meine Bedürfnisse des Reisens, Essens, Kleidens, Mobil-Seins zu befriedigen, so lange ich damit die Bedürfnisse Anderer nicht beschneide. Das ist zurzeit allerdings der Fall: Durch unseren Lebens- und Konsumstil beeinträchtigen wir das Leben Anderer. Das Leben kommender Generationen und auch in Teilen der Welt das Leben heutiger Generationen wird negativ beeinflusst, etwa durch verstärkte Hitze- und Dürreperioden oder schmelzende Gletscher. Hunger, Armut, Flucht sind schon heute nicht selten auf den Klimawandel zurückzuführen.
Individuelle Freiheit funktioniert also nur gepaart mit individueller Verantwortung. Wir können nur auf Verbote verzichten, wenn wir selbst vernünftig genug handeln. Das ist aber schwierig, wenn ich die Konsequenzen meines Handelns nicht sehen kann, weil die Einflüsse auf das Erdsystem entweder räumlich oder zeitlich sehr weit entfernt passieren.
Es ist außerdem schwierig, Gewohnheiten zu verändern. Häufig erscheint es uns wie ein Verzicht, gewisse Dinge zu verändern, mit liebgewonnenen Traditionen zu brechen. Man kann es aber auch als Gewinn sehen. Wir sollten lernen, die Perspektive zu verändern. Fehlt mir etwas, wenn ich weniger Fleisch essen? Oder keine Erdbeeren im Dezember? Brauche ich wirklich schon wieder ein neues T-Shirt? Lässt sich mein Handy nicht noch einmal reparieren? Wieso kann ich gewisse Dinge nicht mit meinen Nachbarn oder Freunden teilen, statt alles selbst anzuschaffen? Zu einer nachhaltigen Entwicklung kommen wir nur, wenn sich auch die Gesellschaft ändert. Und das muss nicht zum Schlechten sein! Dinge zu teilen und bewusster zu konsumieren muss keinem Verzicht gleichkommen. Vielmehr kann es uns auch dabei helfen, unsere Umwelt und unsere Gesellschaft wieder besser wahrzunehmen und auch wertzuschätzen.
Sicher werden wir um manche staatlichen Regulierungen nicht herumkommen – zu dringend ist die Herausforderung des Klimawandels und zu wenig Zeit bleibt uns. Aber die meisten täglichen kleinen Entscheidungen bleiben dem Individuum überlassen. Und hier bieten uns die aktuellen Herausforderungen auch eine Chance, unsere Bedürfnisse zu hinterfragen. Was brauche ich wirklich und was wird mir beispielsweise von der Werbung als notwendig eingeredet? Es ist eine Chance, sich selbst und die eigenen Werte besser kennenzulernen, indem als selbstverständlich Wahrgenommenes hinterfragt wird. Was unsere Bedürfnisse sind, wissen wir also nur selbst, aber es lohnt sich, sie zu hinterfragen.