Was war das für ein Stall, in dem Jesus geboren wurde?
Was war das für ein Stall, in dem Jesus geboren wurde?
Was wäre Weihnachten in Deutschland ohne die Krippe, ohne den Stall mit den Tieren? Wir besingen ihn an jedem Weihnachtsfest: „ Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all, zur Krippe her kommet, in Bethlehems Stall“. Der Stall, ja, er gehört zu unseren Bildern von Weihnachten.
Lukas, der Evangelist, er erzählt davon, dass Jesus in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt wurde. Er erwähnt keinen Stall, auch Matthäus nicht.
Aber es liegt nahe, da das erste Bettchen für das neugeborene Jesuskind eine Futterkrippe war, einen Stall zu vermuten, in dem Jesus geboren wurde. Es gab auch sonst keine Herberge.
Wie sollen wir uns diesen Stall vorstellen? Sicherlich nicht so, wie unsere Krippen ihn abbilden.
Und wenn für Lukas die Krippe, der Stall sich nun in einer Höhle befand?
Höhlen gehören zum Landschaftsbild in Palästina. Und sie werden genutzt, als Wohnraum für Menschen, Aussätzige, Schwersterkrankte finden dort eine Zuflucht und die Tiere eine natürliche Behausung. Höhlen bieten ihnen und den Hirten Schutz.
„Und es waren Hirten in derselben Gegend bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Schafe“, so lesen wir weiter in der Weihnachtsgeschichte des Lukas. In der Nähe der Weiden, der Schafe und der Hirten, abseits der Wohngegend wird Jesus geboren. In einer Höhle lässt sich vermuten, die draußen auf dem Feld als Stall genutzt wird.
Höhlen haben etwas Faszinierendes. Sie ziehen an, bieten Schutz. Sie gehören wohl zu den ersten und ältesten Behausungen von Menschen und Tieren. Oft halten sie das ganze Jahr über die gleiche Temperatur. Verfolgte, wie die Katharer, haben im Süden von Frankreich in den Höhlen der Cevennen lange überlebt. Und vor den Katharern, noch in Urzeiten sozusagen, wurden die Höhlen von Menschen bewohnt, die sie auch für ihren Kult nutzten. Felszeichnungen zeugen davon.
Gleichzeitig lösen Höhlen auch Furcht und Schauder aus. Licht gibt es meist nur im Eingangsbereich. Schummrig wird es dann im Tieferen, bis dann gar kein Licht mehr durchdringt. Was wartet in der Höhle? Gefährliche Tiere, Abgründe?
Höhlen haben eine magische Wirkung, ihrer Atmosphäre können wir uns nur schwer entziehen. Sie wurden ein Symbol, für Geburt und Tod, für den Eingang in die Unterwelt und die Wiedergeburt.
Es liegt nahe, Jesu Geburtsort in eine Höhle zu legen, dem ursprünglichsten Schutzort der Menschen und Tiere. Zugleich ein heiliger Ort, an dem Leben verwandelt wird. Dort in der Höhle, dort ereignen sich Übergänge in andere Welten, dort wird Gott als Mensch geboren. Ganz verborgen, ganz geborgen und doch mitten im Alltag der Welt und des Lebens.
Höhlen sind immer wieder der Ort, in und an denen Geschichten der Bibel spielen.
David, der große König in Israel, ein Hirtenjunge ursprünglich, kennt sich aus mit Höhlen. Für Hirten bieten die Höhlen Schutz vor der Nacht, vor gefährlichen Tieren und Unwettern, Kälte und Hitze. Auf der Flucht vor König Saul verbirgt sich David in einer Höhle ganz hinten. Saul sitzt im Eingang der Höhle und bemerkt ihn nicht. Das Dunkel der Höhle rettet David das Leben. Psalm 57, der David zugeschrieben wird, singt von der Bewahrung vor Saul in der Höhle.
Höhlen bergen nicht nur die Lebenden, auch die Toten finden ihre letzte Ruhestätte in einer Höhle. Abraham bekommt eine Höhle geschenkt von einem Fremden, einen Hetiter, um seine Frau Sara zu begraben. Dies wird zur Erbbegräbnisstätte der Sippe von Abraham. Diese Höhle Machpela, eine zweifache, wie betont wird, liegt gegenüber von Mamre, auch Hebron genannt, dem Ort, an dem Abraham Besuch von den drei Männern bekommt. Diese kündigen ihm und Sara die Geburt Isaaks an, das kann Sara, aufgrund ihres Alters, nicht glauben.
Auch das Grab Jesu wird wohl eine Höhle gewesen sein, die mit einem Stein verschlossen wurde, dort erlebt Maria von Magdala das Wunder der Auferstehung.
Eine sehr anrührende Höhlengeschichte erzählt von Elia:
Endlich angekommen am Berg Horeb, dem Berg Gottes. Eine Höhle, eine Unterkunft für die Nacht tut sich vor ihm auf. Vierzig Tage und vierzig Nächte ist Elia, der Prophet, schon auf der Flucht, um sein Leben laufend vor Isebel, der Königin und Verehrerin des Gottes Baal, die ihn umbringen will, wie er ihre Priester umgebracht hat in missionarischem Eifer. Ein Engel hat ihn gestärkt für die Flucht, hat ihm zu essen und zu trinken gegeben, als er schon sterben wollte, verzweifelt und mit der Einsicht, auch nicht besser als seine Väter zu sein.
Nun liegt er hier in der Höhle, allein, umgeben von Stille und Dunkelheit, geflüchtet an den Berg Gottes. Da hört er die Stimme, die fragt: „Was machst du hier, Elia?“ Und da platzt es aus Elia heraus: „Für Dich Gott habe ich geeifert, habe für deine Sache gekämpft, alle anderen Propheten sind tot, deine Altäre umgestoßen und mir trachtet man nach dem Leben.“
Alles ist dahin. Elia ist am Ende, verkrochen in der Höhle.
„Geh heraus, ich werde vorübergehen,“ hört er die Stimme Gottes in der Höhle.
Was könnte ihm sonst noch helfen? Er braucht die Erfahrung der Nähe Gottes, sehnt sich nach Geborgenheit, nach Kraft zum Leben. Doch noch verlässt er die Höhle nicht.
Elia hört einen heftigen Wind, einen Sturm. Er erschüttert die Berge. Steine, Felsen werden losgerissen. Doch in diesem Sturm erfährt er Gottes Nähe nicht, im Sturm ist Gott nicht..
Ein Erdbeben erschüttert die Höhle. Aber auch im Erdbeben findet sich Gott nicht.
Ein Feuer entzündet sich, die Hitze brandet in die Höhle. Auch im Feuer ist Gott nicht.
Ein stilles, sanftes Sausen, ein Windhauch nach dem Feuer, lässt Elia aufhorchen. Er steht auf, verhüllt sein Antlitz mit seinem Mantel.
Jetzt gelingt es ihm, aus der Höhle zu gehen, Gott kommt ihm so sanft entgegen, so anders als vermutet. Es ist wie neugeborenen werden.
Aus der Höhle heraus hört Elia wieder die Stimme Gottes, die ihn neu beauftragt und ihm einen Wegbegleiter an der Seite verspricht. Elia nimmt den Weg in sein neu geschenktes Leben.
Die Erfahrung der Höhle nimmt Elia mit, so wie auch Maria und Joseph. Sie müssen sich bald nach dem Wunder der Weihnachtsnacht den Härten des Lebens stellen. Der Glanz und der Schutz der Weihnachtshöhle begleiten sie.
Die Weihnachtserzählung steht bei Lukas im 2. Kapitel, sowie bei Matthäus in Kapitel 1und 2.
Die Höhlengeschichte von David in 2. Samuel 24.
Die Abraham und Sara Geschichten finden sich in 1. Mose 18 und 23.
Und die Höhlengesichte von Elia in 1. Könige 18.
Johanna Wittmann