Muße haben – Wie geht das?
Muße haben – Wie geht das?
„Da hatte ich Muße…“ – Wie das klingt! Ein himmlischer Zustand. Nur nicht so einfach herzustellen.
Da habe ich endlich frei, eine nicht verplante Zeit liegt vor mir, sehnsüchtig erwartet, und ich erlebe mich, rastlos in der Wohnung umherlaufend, von einem zum anderen, nichts wirklich anfangend, unentschlossen, wie auf der Flucht vor mir selbst.
Keine Muße weit und breit. Nicht einmal den wunderbar zubereiteten Kaffee kann ich genießen. Irgendwie trinke ich die Tasse leer, ohne einen Geschmack zu erinnern.
Muße wird mir geschenkt, ich kann sie nicht bewerkstelligen.
Findet sie Wohnung bei mir, – es treibt mich nichts, kein Zeitdruck, kein Leistungsdruck, keine innere Unruhe – kann ich in Ruhe ein Rezept, womöglich ein aufwendiges, ausprobieren, einfach so, in Gelassenheit und Heiterkeit und das Mahl mit anderen genießen. Das ist Muße für mich.
Muße haben, heißt ja nicht, nichts tun!
Beim Besuch der Sigmar Polke Ausstellung in Köln gesellt sich die Muße unbeabsichtigt dazu. Das geht mir bei Ausstellungen nicht immer so.
Sehr anregend dieser Künstler, wie er mit allen möglichen Materialien und Medien experimentiert und mit so manchem kecken Satz zum Nachdenken oder auch zum Lachen anregt.
Zur Ausstellung gehört ein Raum, mit vielen Materialien bestückt, der die Besucher und Besucherinnen, Alt und Jung, einlädt, selbst kreativ zu werden. Ich lasse mich einladen, und dann stellt sich Muße ein. Eine Leinwand, Materialien finden, sich für eine Methode entscheiden, drucken, kleben oder malen oder ein Methodenmix. Ich fühle mich hineingenommen in einen kreativen, konzentrierten Energieraum und eins kommt zum anderen.
Das entstandene Kunstwerk bekommt noch einen Titel und findet einen Platz im Ausstellungsraum.
Die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Reich beschenkt und angeregt verlasse ich das Museum.
Ich räume die Einkäufe aus dem Wagen. Plötzlich habe ich einen Einfall zu einem Artikel, der noch geschrieben werden will. Ich schreibe den Gedanken auf, ein nächster fließt mir aus der Feder. Ich sitze im Garten, um mich herum zwitschert und tschilpt es. Der Holunder und die Heckenrosen duften. Irgendwo kreischt eine Säge. Die Einkäufe warten noch in ihren Tüten. Nichts was mich jetzt stören oder unterbrechen könnte. Ein Text entsteht in Muße zum Thema Muße.
Ich bevorzuge die tätige Muße.
Johanna Wittmann