Literarisches
Leben ist Brückenschlagen über Ströme, die vergehen.
Gottfried Benn
Als Schülerin hat mich diese Zeile von Gottfried Benn sehr bewegt.
Hier wird quasi ein Rückblick vorgenommen.
Damals habe ich versucht, dieses Wortbild in einer Kreidezeichnung darzustellen.
Ich schaue mich um, drehe mich nach hinten und sehe eine Landschaft mit vielen Brücken und nirgendwo ist ein Fluss, ein Strom zu sehen.
In sehr turbulenten Situationen und wenn ich drohe überflutet zu werden, dann fällt mir ab und zu, dieses Bild ein: Leben heißt Brückenschlagen über Ströme, die vergehen.
Allein diesen Satz, dieses Bild wahrzunehmen, lenkt den Blick aus der Situation und gibt Hoffnung auf ein Danach. Es kommt die Zeit und die Dinge sind gemeistert. Die schwierige Situation ist überwunden. Die Fluten sind weg. Nur das Bauwerk, die Anstrengung, die Lösung sind noch zu sehen, zu spüren. Die Füße stehen wieder auf weitem Raum, wie es in den Psalmen heißt.
Die Psalmen in der Bibel können auch als in Wort gestaltete Brücken verstanden werden.
Etwa der Psalm 121:
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt von Gott, der Himmel und Erde gemacht hat.
In der Frage am Anfang scheint die Bedrohung, die Notlage durch. Der Blick geht aus der Bedrohung hinauf zu den Bergen zum Schöpfergott. Die Erinnerung an den Ewigen wird zur Brücke aus der Bedrängnis. Die in Wort gestaltete Brücke, der Psalm, das Gebet ist tradiert worden. Von welchem Strom der Beter bedroht wurde, wissen wir nicht. Der ist vergangen.
So wird das Psalmgebet zur Brücke auch für uns, das uns hilft, das Leben mit seinen Herausforderungen anzunehmen.
Was bleibt ist die Ermutigung:
Gott wird deinen Fuß nicht gleiten lassen.
Gott segnet deinen Ausgang und Eingang jetzt und immer.
Johanna Wittmann