Sie sind hier: Home › Literarisches › Literarisches Archiv › Meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig

Meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig

B Literarisches

Jahreslosung 2012

Meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig

Wir leben in der Reformationsdekade, da liegt der Gedanke an Martin Luther, auch im Hinblick auf die Jahreslosung 2012, nahe.
Martin Luther, zunächst ein Mönch, können wir ihn uns vorstellen als einen innerlich Getriebenen. Eine unruhige Seele, die Gott sucht.
Er sorgt sich, er ist unzufrieden. Er leidet an seinen Unvollkommenheiten und denen der Welt und seiner Kirche.
Er lebt in einer religiös aufgeladenen Zeit. Es gibt viele spirituelle Angebote: Erbauungsbücher, – der Buchdruck macht es möglich -, Bußprediger, spirituelle Trainer, die erklären, wie es geht, nicht ganz billig zwar, aber Erfolg versprechend.
Luther sucht Frieden für seine aufgeschreckte Seele. Sehnsucht nach Frieden für sich treibt ihn.
Nach unermesslichen Kämpfen findet er Frieden mit sich und Gott.
Bei Paulus im Römerbrief: Aus Gnade allein sind wir gerecht durch den Glauben. Als Sünder und Gerechte, ohne uns dies erwerben zu müssen, dürfen wir sein.
Die Unvollkommenheit darf sein, das Fehlbare darf sein. Wir leben von einer passiven Gerechtigkeit, die uns zugesprochen wird. Diese Erkenntnis formuliert Luther für sich wie den Eintritt ins Paradies. Nicht die heute so oft geforderte Ganzheit lässt Luther aufatmen, nein, es ist die Entdeckung, halb sein zu dürfen.
Er findet die herrliche Freiheit, unfertig sein zu dürfen.
Es bedeutet das Ende des Wahns, alles können zu müssen.
Ein jüngerer Theologe, auch mit Namen Luther, Henning Luther, der leider schon früh verstorben ist, hat dies in einem Buchtitel mit „Das Leben als Fragment“ bezeichnet. Nicht jede und jeder muss alles leben. Auch das Fragment ist ein lebenswertes Leben.

Denn das von der Ganzheit und von der Perfektion befreite Individuum steht nicht allein, er/sie ist Teil einer Gruppe, eines Team, einer Ursprungs- oder Wahlfamilie, einer Gemeinde. Wer selbst nicht alles kann, braucht die Gaben der anderen und wird diese auch schätzen. Zusammen sind wir stark.
Paulus stellt sich die Gemeinde als Leib vor: Alle Glieder zusammen ergeben den Leib, der mehr ist als die Anzahl seiner Glieder. Dies bedeutet Angewiesen sein auf den Nächsten, das Gegenüber.
Die Ganzheit lebt von der Unvollkommenheit der Einzelnen.

„Lass Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in Schwachheit mächtig.“ So steht es bei Paulus im 2. Korintherbrief, Kapitel 12, Vers 9.
In diesem Brief berichtet nun seinerseits Paulus der Gemeinde von Korinth von seinen Kämpfen. Er erlebt sich als schwach, wird angegriffen, kann den Anforderungen nicht genügen und auch nicht den Erwartungen, die an ihn als Apostel gestellt werden. Er schreibt: Wenn ich mich schon rühmen will, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen.
Und er berichtet von einem Erlebnis, in dem sich ihm Gott offenbart hat. Er hat mit Gott und dem Satan gekämpft, schreibt er. Er wollte eine Schwäche, einen Pfahl im Fleisch, der ihn offenbar immer wieder an seine Grenzen brachte, los werden. – Es wird vermutet, dass es sich dabei um Epilepsie handelt. Er kämpft darum mit Gott.
Seine Erkenntnis und die Offenbarung für ihn ist, dass Gott zu ihm sagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, meine Kraft ist in Schwachheit mächtig.

Paulus und Luther ist diese Entdeckung gemeinsam:
Sich der Halbheit nicht schämen, Halb sein zu dürfen bei all der geforderten Ganzheitlichkeit.
Es ist letztlich die Erkenntnis: Die Schwachheit ist der Aktionsraum Gottes.
Und dies ist die Grundlage der protestantischen Theologie, deren Aktualität nach wie vor sehr hoch ist.
Wir leben in Zeiten des Optimierungswahns bis hin dazu, wenn wir schon das Phänomen des Scheiterns nicht auslöschen können, dann sollte es zumindest ein schöner Scheitern sein. Auch dazu gibt es Seminare, nicht preiswert, aber Erfolg versprechend.

Es braucht diese Feste Burg, als diese Luther mit den Psalmen Gott besingt, die schützt vor den Ansprüchen des Perfekten, des Makellosen, der Optimierung.
Was kann uns Hoffnung geben für unser Leben in dieser unserer Zeit mit ihren Anforderungen?
Vielleicht kann es die Erlaubnis und die Befreiung zur Schwachheit sein:
Verzichten wir auf Perfektion, auf geforderte Ganzheit und Alleskönnertum.

Was heißt das für die Erwachsenenbildung?
Es geht nicht darum durch Lebenslanges Lernen (LLL) den Menschen vollkommen machen zu wollen!
Erwachsenenbildung wird sich als Begleitung und Unterstützung verstehen. Sie wird die Ressourcen im Blick, sich an der Lebenswelt der Menschen orientieren:
Erwachsenenbildung wird ausgerichtet sein auf die Vernetzung von Befähigungen und wird Räume für Begegnungen schaffen.
Ohne Humor wird es nicht gehen und auch nicht ohne die Hoffnung, dass es ein Mehr außerhalb des Individuums gibt.

Gott in Schwachheit mächtig:
Geben wir Gott eine Chance!

Johanna Wittmann

Literarisches Archiv

  • Startseite
  • Über uns
  • Programm
  • Anmeldung
  • Datenschutzerklärung
  • Meldebogen online
  • Themen – Anregungen
  • Gute Frage
  • Literarisches
  • Da passiert was!
  • Fotogalerie
  • Newsletter
  • Links
  • Kontakt
  • Impressum

Saar-Lor-Lux evang.

Die Ev. Akademie bei Facebook

Die ev. Akademie bei Instagram

Schau an !

© 2023

Powered by Esplanade Theme and WordPress